PODCAST: LET’S MAKE LEMONADE #42 / LYNK & CO
In der heutigen Folge unseres Podcasts begrüßt Benjamin Becker (Managing Partner bei OMG) Alain Visser (CEO von Lynk & Co.) und Stephan Winter (Managing Director PHD Germany). Sie sprechen über das Thema „Automobil neu gedacht – Braucht es neue Antriebsformen oder neue Mobilitätskonzepte?“
Denn angesichts der aktuellen Preise an der Tankstelle, sowie in Zeiten einer wachsenden Sensibilisierung für die Umwelt, ist das eine Frage, mit der sich viele Menschen – insbesondere bei den Automarken – beschäftigen.
Stephan führt aus, dass ein Umdenken – das es gesamtgesellschaftlich braucht – nirgendwo so elementar notwendig ist, wie im Bereich Mobilität und Transport. So berichtet er, dass Hersteller-seitig viele neue Antriebsarten und Technologien angestrebt werden, allen voran natürlich die Elektromobilität. Zudem werden aber auch bisherige Nutzungsmodelle hinterfragt und in Richtung neuer, flexibler Angebote gedacht.
Aus Konsumentensicht führt das wiederum dazu, dass die Angebotsvielfalt teils als Überangebot wahrgenommen wird – als ein „Angebots-Dschungel“, in dem man sich zurechtfinden muss.
Lynk & Co: Das Netflix der Automobil-Branche?
Eine Marke, die sich dieser Thematik annimmt und vom Kern her anders denken möchte ist Lynk & Co. Die Marke wurde Ende 2015 gegründet und gehört seit 2016 zum chinesischen Automobilhersteller Geeley. Im Jahr 2021 wurde Lynk & Co. in Europa gelauncht.
Alain Visser, Gründer und CEO der Marke hatte die Brand unlängst als „Netflix der Automobil-Branche“ bezeichnet. Dabei geht es dem Automotive-Experten insbesondere darum, den disruptiven Charakter von Lynk & Co. aufzuzeigen.
Seiner Meinung nach ist die Auto-Industrie arrogant und gesättigt. Es brauche innovative Marken, wie eben Netflix, um eine bestehende Industrie komplett umzudrehen.
Ein weiterer Kritikpunkt an den Herstellern ist deren plötzlich erwachtes Umweltbewusstsein, das er deutlich als „scheinheilig“ labelt. Alains Auffassung nach kann ein Produkt, dass nur 5% der Zeit genutzt wird, auch nicht nachhaltig sein.
Folglich ist die Idee hinter Lynk & Co., das Auto als ein Instrument zu betrachten. D. h. konkret geht es darum, eine Dienstleistung anzubieten – wie auch Netflix – für die eine monatliche Rate bzw. ein Abonnement bezahlt wird und dieses monatlich kündbar ist. Dafür bekommt man als Package ein Auto in schwarz oder blau (keine weitere Farbe!), alles ist serienmäßig, Versicherung und Wartung sind inklusive.
Und noch eine Parallele zu Netflix: genau wie der US-amerikanische Streaming-Service eigene Filme und Serien produziert, so gibt es auch eigene Autos aus dem Hause Lynk & Co.
Entscheidend: Das Auto mit anderen zu teilen gehört dabei zur Infrastruktur der Dienstleistung und ist daher deutlich nachhaltiger, als ein Auto zu besitzen.
Dabei gibt es aber auch die Option, ein Auto komplett zu besitzen – wobei der Share aktuell bei ca. 90% Teilen und 10% Besitzen liegt. Daher nimmt Alain Visser auch gerne den Vergleich mit Spotify als Beispiel zur Hand: „Wir sind wie Spotify, verkaufen aber zusätzlich CDs“.
Das Smartphone ersetzt den Autoschlüssel
Das Prinzip ist sehr einfach: über die App kann man ein Auto auswählen und reservieren, und bekommt dann einen Code zugeschickt. Mit diesem Code lässt sich dann das Auto entsperren und starten – komplett ohne Autoschlüssel. Und jeder kann sich anmelden. Alles was es braucht ist eine Club-Mitgliedschaft und einen hinterlegten Führerschein. Der Clou: selbst, wenn jemand ein Auto besitzen möchte, kann er dieses mit anderen teilen und von einer Leihgebühr profitieren. Dadurch sinken die Kosten und es wird deutlich mehr genutzt, als die anfangs erwähnten 5% der Zeit – was es dadurch nachhaltiger macht.
Entsprechend gibt es auch keine Händler, sondern Clubs mit Events, die einer der wichtigsten Touchpoints sind.
96% der Deutschen haben noch nie von Lynk & Co. gehört
Wenn es um die Awareness geht, dann ist Lynk & Co. weitestgehend unbekannt. Laut Alain kennen nur 4% der Deutschen die Marke. Ein Grund ist die Haltung, vollständig auf Werbung zu verzichten und nur PR-seitig aktiv zu sein. Das geht auch einher mit der Nachfrage, die deutlich über den Erwartungen liegt.
In absoluten Zahlen: Es gibt derzeit ca. 14.000 Nachfragen für ca. 2.000 Autos auf den Straßen. Allerdings wird es ab Mai auch etwas Werbung geben, gezielt und frech in der Ansprache. Grundsätzlich soll die Brand-Kommunikation aber mit einem Minimum an Werbeausgaben einhergehen – so Alain Visser.
Aktuell gibt es 3 Clubs in Deutschland, in München, Hamburg und Berlin. In Frankfurt ist zudem eine weitere Repräsentanz geplant. Das hat auch damit zu tun, dass in den Großstädten die Nachfrage am höchsten ist, so der Belgier. Spannend in dem Kontext: Diese Clubs werden als werbliche Investments betrachtet, finden doch 99% der Sharing-Aktivitäten komplett dezentral und online statt.
Sitze aus recyceltem Material
Über die eigene Automarke von Lynk & Co. gibt es zu sagen, dass diese komplett auf dem „Baukasten“ des schwedischen Autobauers Volvo basiert, mit zwei Einschränkungen: Zum einen im Bezug auf das veränderte Design. Zum anderen wird bei den Sitzmaterialien vollständig auf Leder verzichtet und stattdessen recyceltes Material verwendet. Ein Alleinstellungsmerkmal und konsequenter Schritt hinsichtlich der Haltung der Marke im Bezug auf Nachhaltigkeit von Autos.
Aktuell wird das Modelle als reines Plug-In-Hybride angeboten, was mit der noch nicht ausreichend ausgebauten Infrastruktur in den europäischen Ländern zu tun hat. Allerdings wird es mittelfristig ein vollelektrisches Modell geben. Hier geht die Tendenz zu Kompakt-SUVs.
Ein guter Blick auf die Entwicklung der Marke zeigt zudem die Anzahl, Herkunft und Motivation der Bewerbungen: Auf eine ausgeschriebene Stelle bewerben sich meist 200 bis 300 Menschen. Ein Großteil davon kommt nicht aus dem Automotive-Sektor. Zudem sind 50% der mittlerweile rund 700 Mitarbeitenden weiblich. Eine Quote, die Alain Visser als äußerst bemerkenswert hervorhebt, ist die Automobil-Branche nach wie vor eine Männer-Domäne.
Der Nachhaltigkeits-Gedanke wird zudem im Unternehmen gelebt. Die Büros bestehen weitestgehend aus Second-Hand-Equipment, aus recycelten oder used-Materialen.
Das Auto als Statussymbol? Ja. Noch.
Aktuell möchten rund 90% der Menschen ein Auto besitzen, so Alain Visser. Und für viele Menschen wird es auch in Zukunft kaum eine Alternative sein, ein Auto zu teilen. Dennoch gibt es eine Nische, die Lynk & Co. bedient und von Automobilherstellern ignoriert wird. Es sind diese aktuell etwa 10%, die Sharing als etwas Natürliches sehen. Mit Blick auf die unter 30-Jährigen wird sich diese Verteilung, in absehbarer Zeit, mehr und mehr verschieben. Das Motto ist nicht „Try to please everybody“, sondern „Simplicity“ mit klarer Haltung hinsichtlich einer nachhaltigen Verwendung des Autos. Aus diesem Grund gibt es auch nur ein limitiertes Angebot, da es für Alain viel weniger um das Produkt an sich geht als vielmehr um die Verwendung. Wenn jeder ein Elektroauto fährt, ist dies seiner Meinung nach nicht nachhaltig, zumindest nicht genug. Es geht darum, weniger Autos auf den Straßen zu haben.